Sonntag, 16. Mai 2010

ACJ Trujillo


Fährt man aus Trujillo auf der Hauptstraße Panamericana heraus, kommt man zunächst durch Esperanza („Hoffnung“) und schließlich nach El Milagro („das Wunder“). Beide Orte halten nicht viel von ihrem Namen. Hier haben sich die armen und ärmsten Menschen Trujillos angesiedelt – zusammen mit dem Elektrizitätswerk, den beiden Gefängnissen für Männer und Frauen und dem riesigen Müllberg, auf dem aller Müll der Region abgeladen wird.
Jeder weiter man Richtung Milagro vorstößt, desto staubiger wird es. Rechts und links säumen kleine Geschäfte, größtenteils Baummärkte oder Ersatzteillager, die Straße. Auf der rechten Seite sieht man im Hintergrund einen grauen Berg, auf dem sich kleine Hütten im Wüstensand hochziehen.
Wir steigen aus und werden neben einer Staubwolke von einer Reihe von Mototaxis empfangen. Die Fahrer wirken jung, teilweise nicht älter als 12 Jahre.
Wir treten ein in eine der Straßen zwischen den Häusern, die von der Hauptstraße wegführen. Sobald man sich von dieser entfernt, hören die Straßen auf und es führen nur noch Sandwege weiter in den Ort hinein. Die Straßen sind recht breit und rechts und links gesäumt von Ziegelmauern. Eine der ACJ Mitarbeiterin erklärt uns, dass hier die Familien leben. Drinnen gibt es meist ein paar aus einfachen Lehmmauern bestehende Räume, in denen die Familien eng zusammen leben. Mehr als sechs Kinder zu haben ist nicht unüblich, oft leben noch weitere Verwandte; Cousinen und Cousines, Großeltern oder Tanten und Onkel mit eigenen Kindern, mit ihm Haus. Jedes Haus hat eine Art Garten, in dem Tiere gehalten werden. Ab und an steht eine der kleinen Metalltüren offen, die die Familien von der Außenwelt trennt und man erhascht einen Blick auf Esel und Hühner, vielleicht ein Schwein oder Tauben.
Bevor man die ACJ erreicht, kommt man noch links an einem Recyclinghof und rechts an einer kleinen Schule vorbei. Am Ende der Straße sieht man die Mauern des Männergefängnisses.
Das Gebäude der ACJ bringt Abwechslung in die recht triste, staubige Landschaft. Die Mauern sind bunt gemalt, zeigen lachende Kinder, eine strahlende Sonne und in all dem das große rote ACJ – Dreieck. Wir sind gespannt!
Die ACJ, ebenfalls abgeschirmt von der Umwelt durch eine Mauer und eine kleine Eisentür, besteht aus einem Mittelgang und mehreren Räumen. Die Räume sind zur Hälfte Büros, zur Hälfte für die Gruppenstunden. Es gibt einen Raum mit Bastelmaterialen, eine größere Aula, eine kleinere für die Alphabetisierung, sowie eine Bäckerei, in der Jugendliche eine Bäckerausbildung erhalten.
Das Programm der ACJ ist speziell ausgearbeitet für die Familien, die (früher oder immer noch) auf dem Müllberg arbeiten. So gibt es verschiedene Angebote, um ihnen neue Perspektive zu bieten. Mittwochnachmittags gibt es ein Programm für die Mütter, in dem sie verschiedene, praktische Fähigkeiten lernen, wie z.B. das Züchten von Meerschweinchen. Im Hinterhof der ACJ werden einige Meerschweinchen gehalten, die dann an die Mütter verteilt werden, damit diese damit ihre eigenen Verkäufe machen können. Hört sich simpel an, ist allerdings mit ganz schön viel Arbeit verbunden. Zunächst müssen die Mütter lernen, aus wenig und einfachem Material Käfige zu bauen und vor allem, wie man ein spezielle Gras anbaut, das wenig Wasser braucht. Außerdem lernen die Mütter hier, wie sie am öffentlichen Leben teilnehmen können, z.B. zu welcher Behörde sie gehen müssen, wenn sie Probleme mit der Schule ihrer Kinder haben oder eine Beschwerde vorbringen müssen.
Neben diesem Programm gibt es eine Alphabetisierungsgruppe, die sich fünfmal die Woche trifft, um Lesen, Schreiben und Rechnen zu lernen. Die Frauen, die hier herkommen, sind größtenteils über 50 Jahre alt und haben gerade einmal die Grundschule abgeschlossen, da sie danach ihren Familien durch Arbeit unterstützen mussten.
Für Jugendliche gibt es zunächst die Ausbildung in der Bäckerei. Ein Kurs dauert drei Monate und beinhaltet ein abschließendes Praktikum in einer Bäckerei in Trujillo, um den Jugendlichen Arbeitsperspektiven aufzuzeigen. Allerdings sind viele der Jugendliche, die hier teilnehmen, noch in der Schule, sodass die gelernten Fähigkeiten eher im eigenen Haushalt zum Einsatz kommen.
Ansonsten gibt es für die Jugendlichen einmal die Woche samstagnachmittags den Cuerpo de Jovenes. Hier lernen die Jugendlichen, sich zu formieren (zur Zeit finden gerade die Wahlen zum Präsidenten, Vizepräsidenten, Sekretär etc statt), um ihre Interessen zu vertreten.
Für Kinder gibt es zweimal die Woche Programm mit David. David ist der Hauptamtliche Mitarbeiter, der für die christliche Arbeit in der ACJ zuständig ist. Mittwochs geht er mit den Kindern auf den Sportplatz und freitags macht er mit ihnen Jungscharstunde, in der gespielt, gesungen und über Jesus geredet wird.

Ist man einer der vielen Pendler, die täglich durch das Milagro in ihren großen Überlandsbussen rasen, fragt man sich vermutlich zu recht, warum diese Region "Wunder" heißt. Auch für viele Trujillaner, die unter Milagro Müllberg und Gefängnis verstehen, ist der Name wahrscheinlich unverständlich. Betritt man allerdings die ACJ und schaut nur ein kleines bisschen in die Programme, sieht man die vielen kleinen und großen Wunder, die hier täglich geschehen.
Da ist Serafina, die Mutter, die mit ihren Töchtern in einer Baracke direkt neben dem Müllberg lebt und dort arbeitet. Kaum eine Alfabetisierungsstunde verpasst sie, weil sie es wirklich schaffen möchte. Sie hat Gott in ihrem Herzen und die Hoffnung noch längst nicht aufgegeben.
Oder die Mama von Leidy und Susie. Seit ein paar Jahren kann sie ihrer Arbeit auf dem Müllberg nicht mehr nachgehen - sie hat Brustkrebs. Das Geld ist knapp und ihre Krankheit noch immmer nicht geheil, aber sie lässt sich davon nicht hängen. Viel mehr sorgt sie sich um ihre älteste Tochter, die neunjährige Leidy, die Probleme in der Schule hat. Sie kommt im die ACJ, um die Meerschweinchenzucht zu lernen und somit ihren Töchtern einmal eine bessere Zukunft zu ermöglichen.
Oder die 23jährige Diana, die geistig zurückgeblieben ist. Sie kann kaum lesen und schreiben, hat nie die Schule beendet. Wenn wir in die ACJ kommen strahlt sie stets übers ganze Gesicht. Sie umarmt uns lange und freut sich einfach über den Moment, jetzt mit uns zusammen zu sein.


Oder Jefferson und Renzo. Die beiden sind ganz spezielle Rabauken, die uns immer wieder die Nerven kosten währrend unserer Kinderstunden. Dennoch ist es jedesmal wieder unglaublich zu sehen, mit welcher Liebe und Hingabe sie sich um ihren kleinen zweijährigen Bruder kümmern, den sie manchmal mitbringen. Er ist für sie das allerwichtigste und sie sehen es als ihre Aufgabe, ihn zu beschützen.

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